Wer gewinnt – Talent oder harte Arbeit?
Kann man ohne Talent, nur mit harter Arbeit erfolgreich sein? Es gibt zahlreiche Menschen die behaupten, das wäre unmöglich. Ganz besonders in der Fotografie findet sich diese Behauptung öfter als sonst wo.
Aber stimmt das wirklich?
Solltest du erst garnicht anfangen, wenn du nicht richtig viel Talent dafür hast?
Und was ist eigentlich Talent? Reicht es schon, wenn deine Oma sagt “du machst aber schöne Fotos”?
Was ist Talent eigentlich?
Fangen wir doch mal mit dieser Frage an.
Laut Wikipedia ist das hier die Definition von Talent:
Mit Begabung oder Talent wird ein Aspekt bezeichnet, welcher zu besonderer Leistungsfähigkeit einer Person auf einem bestimmten Gebiet beiträgt. In Abgrenzung zu erlerntem Wissen und durch Übung erlangte Fähigkeiten, ist Begabung eine besondere Anlage einer Person, auf dem entsprechenden Gebiet vergleichsweise schnell Fortschritte zu machen sowie ein überdurchschnittliches Leistungsniveau erreichen zu können.
Ok. Also die Anlage einer Person, auf einem Gebiet vergleichsweise schnell Fortschritte zu machen und ein überdurchschnittliches Leistungsniveau zu erreichen.
Aber was bringt diese Anlage, wenn man die harte Arbeit nicht investiert? Reicht ein Gespür für Bildgestaltung und Moment, also ein Talent für Fotografie aus, um darin erfolgreich zu werden? Mit relativ wenig Aufwand zum Superhelden?
Mitnichten!
Auch wenn sich nicht ausschließen läßt, dass es solche Fälle gibt. Aber es gibt auch Menschen die völlig ohne Arbeit zu einem Lottosechser gekommen sind. Trotzdem würden wir unsere finanzelle Zukunft und Sicherheit unserer Familien nicht auf der Wahrscheinlichkeit bauen, mal so einen Lottosechser zu haben. Jedenfalls nicht, wenn wir zurechnungsfähig sind. Warum also drauf verlassen, dass wir nur mit außerordentlichem Talent in irgendwas erfolgreich sein können?
Viel zu viele Menschen lehnen sich zurück und reden sich selbst ein “ich hab halt leider keine Talente, deshalb wird da nichts draus”. Wenn dieser Artikel nur einen einzigen Menschen, also dich, zum umdenken bewegt, dann war das alles schon den Aufwand wert 😉
Im Entwurf, da zeigt sich das Talent,
in der Ausführung die Kunst.Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach (1830 – 1916), österreichische Erzählerin, Novellistin und Aphoristikerin
Ich habe oft erlebt, dass Talent manchen Menschen sogar im Weg steht. Und ich bin garnicht so sicher, ob ich da nicht sogar unter anderem von einem früheren Ich spreche.
Die Veranlagung zu einer bestimmten Tätigkeit kann unter den falschen Umgebungsbedingungen (führungslosigkeit z.b.) dazu führen, dass man zu faul wird, auch wirklich herausragend darin zu werden. Oder wenn es keine Faulheit ist, dann möglicherweise eine Art Selbstsabotage. Es kann für jemanden mit einer Begabung fast schwieriger werden, harte Arbeit zu investieren, als für jemanden, der sich völlig im Klaren ist, dass er kein Talent für Fotografie besitzt und gezwungen ist, hart dafür zu arbeiten.
Außerdem behaupte ich – aus eigener Erfahrung – dass es auch verschiedene Arten von Talent gibt. Die eine Variante ist das angeborene Talent. Wobei das ja nicht ganz stimmt, ein Baby kommt nicht nur Welt und kann fotografieren. Aber du weißt schon, was ich meine. Kleine Kinder die etwas in die Hand nehmen, sei es ein Instrument oder eine Kamera und überraschend schnell lernen es zu bedienen.
Ganz besonders bei Kindern kommt das aber oft von der Leichtigkeit mit der sie an die Dinge herangehen. Als Erwachsene verlieren wir diese Leichtigkeit zu oft. Bevor wir etwas neues lernen, machen wir uns schon Gedanken, ob wir das denn überhaupt können. In unserem Kopf spielen sich viel zu viele Unsicherheiten ab. Damit nehmen wir uns die Aufmerksamkeit und die Energie, schnell zu lernen.
Talent ist nur große Geduld.
Anatole France (1844 – 1924), eigentlich François Anatole Thibault, französischer Erzähler, Lyriker, Kritiker und Historiker, Nobelpreisträger für Literatur 1921
Wenn wir uns diese Fähigkeit behalten (oder sie wiederherstellen) können wir auch als Erwachsene noch neue Talente “entdecken”. Indem wir einfach mal den ersten Schritt tun: Interesse.
Interessieren wir uns aufrichtig, ohne den ganzen Gedankenmüll rundherum für eine Sache wie Fotografie, dann sind wir 100% fokussiert darauf. Keine Fragen wie “naja, aber kann ich davon leben” oder “es gibt so viele die besser sind als ich, wird das nicht peinlich” usw. sondern nur der reine Fokus auf die Sache. Der Sache wegen. Plötzlich haben wir die ersten Schritte schneller gelernt, als wir dachten. Und schon spricht jemand neben uns von “Talent”. “Oh, wow, das hast du echt schnell gelernt, du hast aber viel Talent, mach was draus”.
Schon sind wir motiviert.
Aber ganz egal ob wir mit dem Talent geboren wurden, oder es unterwegs gelernt haben, es entscheidet nicht, ob wir damit Erfolg haben werden. Unser Talent als Fotografen wird sich kaum darauf auswirken, ob wir mit der Fotografie auch wirklich unseren Lebensunterhalt verdienen oder auch nur als Amateur wirklich gut in unserem Hobby werden.
Der entscheidende Faktor ist und bleibt:
Harte, geduldige, ausdauernde Arbeit
Egal wie talentiert du bist, jeder Trainer, Sportlehrer, Taekwondo Meister, Coach oder Mentor wird dir bestätigen – das Ausmaß deines Talents ist völlig wertlos, wenn du nicht gewillt bist, hart daran zu arbeiten deine Fähigkeiten zu verbessern, zu üben, zu üben und zu üben.
Das antike griechische Wort “Areté”, das soviel bedeutet wie Vortrefflichkeit, wurde schon von alten Philosophen verwendet um Menschen zu beschreiben, die in einer Sache herausragend gut waren. Und die Geschichte ist voll mit Beschreibungen, wie man diese Vortrefflichkeit erreicht. Nämlich mit einer einzigen Sache:
Wiederholung / Übung.
Nimmst du dir eine Sache vor, lernst wie man sie macht und übst sie jeden Tag, selbst wenn du glaubst schon der Beste darin zu sein, dann wirst du unweigerlich darin weiter wachsen. Du wirst Tag für Tag ein kleines Stück besser werden. Ein Naturgesetz.
Unabhängig davon, ob du talentiert warst, als du damit begonnen hast.
Ich fürchte nicht den Mann, der 10.000 Kicks einmal übte, sondern den Mann, der einen Kick 10.000 mal übte.
Bruce Lee
Und spätestens hier setzen in diversen Diskussionen die lauten Zwischenrufe ein. “Ja, eh, aber …“.
Die Wahrheit ist aber – da gibts kein aber.
Ja, mag sein, wer mit einem gewissen Talent startet, wird sich in den ersten Schritten wohl leichter tun und diese Grundlage zu seinem Vorteil nutzen können. Aber langfristig entscheidet über den Erfolg nicht das Talent, mit dem du losgegangen bist, sondern ausschließlich wie lang, konsequent, diszipliniert und hart du daran gearbeitet hast.
Die Geschichte ist voll von ausserordentlich erfolgreichen Musikern, Sportlern, Künstlern, Unternehmen, usw. die nicht mit Talent, sondern ausschließlich mit konsequenter harter Arbeit erfolgreich wurden. Wenn du dich darauf einläßt und die Biografien erfolgreicher Menschen studierst wirst du feststellen, dass du kaum einen Menschen finden wirst, der einfach nur wegen seines Talents erfolgreich in etwas war.
Unterm Strich schlägt harte Arbeit Talent jedes einzelne mal wenns drauf ankommt.
Ja, wenn beides vorhanden ist, Talent und harte Arbeit, kann aussergewöhnliches entstehen. Die Wissenschaft hat aber auch hier inzwischen belegt – starten 2 Menschen, einer mit und einer ohne Talent und arbeiten langfristig gleich hart an ihrem Erfolg, wird der Unterschied den das Talent ausgemacht hat zweitrangig und immer geringer.
Solltest du das Video oben noch nicht gesehen haben, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt dafür 😉
Keine Sorge, das tut nicht weh
Mit “harte Arbeit” ist keinesfalls gemeint, dass du dabei bluten mußt. Besonders in der Fotografie haben wir im Gegensatz zu z.b. asiatischen Kampfsportarten den Vorteil, dass unser Training mit wenig körperlichem Schmerz verbunden ist.
Mentale Schmerzen, wenn wieder mal etwas nicht so geklappt hat, wie wir das wollten, ja klar. Aber wir bluten nicht beim Üben.
Außerdem ist “harte Arbeit” ein dehnbarer Begriff. Vielleicht sollte ich auch nicht hart, sondern konsequent dazu sagen.
Denn wenn du etwas wirklich gern tust, dann wird es dir garnicht so hart vorkommen. Ich erinnere mich liebend gern an die ersten 2 Jahre meiner Selbstständigkeit als Fotograf zurück. Ich habe sprichwörtlich Tag und Nacht gearbeitet. Aber ich hatte gefühlt 100 mal so viel Energie wie in jedem Job den ich davor jemals gemacht habe.
Weil es für mich selbst war und vor allem – weil ich das wirklich gern gemacht habe. Jeden Tag beim Aufwachen habe ich mich auf meine Arbeit gefreut. Also nichts sonderlich “hartes”. Die Härte kommt erst später, wenn die Routine einsetzt.
Die Kamera und die Liebe
Wie in jeder Beziehung ist auch bei der Liebe zur Kamera irgendwann mal die erste Verliebtheitsphase zu Ende. Das ist der Punkt, an dem viele aufgeben. Und hier entscheidet sich (einmal mehr) wer weiterkommt und Erfolg hat und wer nicht.
Manchmal muss man die Kamera auch weglegen, sich eine Pause gönnen und einfach leben. Aber manchmal muss man einfach die Schnürsenkel binden und weiterlaufen (warum auch immer ich jetzt über eine Laufsport Metapher schreibe, wo ich doch genau garnicht laufe). Aber du weißt hoffentlich was ich meine.
Die Kunst ist es, das eine vom anderen unterscheiden zu lernen und zu wissen, wann “harte Arbeit” gefragt ist und wann einfach mal eine Pause sein muss.
Wenn es dir gelingt das alles hinzukriegen, also unabhängig von Talent konsequent zu arbeiten und zu üben, dann wird es langfristig egal sein, ob du mit oder ohne Talent losgegangen bist. Du wirst dein Ziel erreichen.
Do what you love and be nice to other people.
Mein Lieblingszitat von Unbekannt
Lass dich nicht unterkriegen!